ORDINAZIONE

 

Adriano Cavadini

Sergio Michels

Fabrizio Viscontini

Die Gotthardbahn, 2018

264 Seiten, gebunden

 

Vor einiger Zeit suchte ich in diversen Buchhandlungen ein Buch über die Gotthardbahn, das zugleich leicht verständlich und reich bebildert sein sollte. Aber ich konnte kein geeignetes Buch finden, denn entweder waren es Publikationen, die schon länger zurücklagen oder Bücher mit vielen historischen und technischen Details. So entstand die Idee, ein allgemein und leicht verständliches Buch mit zahlreichen Bildern und Fotos über die Geschichte der Bahnlinie von 1882 bis heute zu verfassen.
Es sollte auch zeigen, welche Auswirkungen der damalige Alpentunnel und die heutigen Basistunnel am Gotthard und am Ceneri auf die Bahninfrastruktur und auf die wirtschaftliche Entwicklung der entsprechenden Regionen hatten.
Mein Freund Fabrizio Viscontini aus Faido, den ich anfragte, erklärte sich begeistert bereit, den historischen Teil zu verfassen. Ich wollte mich auf die anderen Kapitel konzentrieren, vor allem auf diejenigen über die AlpTransit. Sergio und Fabrizio Michels schlug ich vor, das Bildmaterial zusammenzustellen, ein grafisches Konzept zu entwickeln, das Layout und den Druck des Bandes zu verantworten. Ihre Kompetenz und Qualität hatten die beiden bereits mehrmals in anderen Publikationen gezeigt. Zahlreiche Personen haben ihren Beitrag zu diesem Projekt geleistet.

 

Eine wichtige Rolle spielten dabei Birgit Eger Bertulessi für die ausgezeichnete Übersetzung ins Deutsche, Ingenieur Luca Bassani für seinen Beitrag über die Verbindung mit Italien, Renzo Ghiggia für seine präzisen technischen Texte, Professor Joseph Jung für seine wertvollen Informationen zu Alfred Escher und Louis Favre sowie Remigio Ratti für seinen Blick in die Zukunft der Gotthardbahn. Erwähnen möchte ich auch den Beitrag von Architekt Toni Häfliger, ehemaliger Denkmalpfleger SBB, und Erich Schmied, Gesamtprojektleiter SBB, und auch Marcel Jufer, Honorarprofessor für Elektromechanik für futuristische Projekte an der ETH Lausanne.

An anderer Stelle werde ich all die weiteren Personen erwähnen, die mitgeholfen haben, sowie die Vereinigungen und Unternehmen aufzählen, die unser herausforderndes Projekt finanziell unterstützt haben. Der erste Tunnel durch das Gotthardmassiv war tatsächlich ein europäisches Projekt, das von der Schweiz, Deutschland und Italien geplant und finanziert wurde. In Europa gab es damals nur bilaterale Verträge zwischen einzelnen Staaten, wobei das preussische Deutschland und Italien alliiert waren, um den Einfluss Frankreichs einzuschränken. Genau aus diesem Grund wollte Otto von Bismarck, Ministerpräsident des Königreichs Preussen und später Reichskanzler von Deutschland, die direkte Verkehrsverbindung nach Italien ausbauen. Deshalb gab er den Ausschlag zugunsten der Gotthardroute anstelle des Lukmaniers.

 

Es war ihm wichtig, dass diese bedeutende Infrastruktur auf neutralem Schweizer Boden gebaut wurde, denn so konnte die Eidgenossenschaft garantieren, dass diese neue Transitroute für alle offen gehalten würde. Schon seit der Vergangenheit gab es ja bereits einen direkten Handelsweg über das Gotthardmassiv, den auch die Händler und Bauern aus der Zentral-schweiz für den Warenaustausch mit der Lombardei und dem Piemont nutzten. Der Kanton Tessin hat von dieser Bahninfrastruktur stark profitiert, denn als einziger Kanton, der durch die Alpen von der restlichen Schweiz abgeschnitten ist, konnte er sich dank dieser Bahnverbindung zu anderen Schweizer Städten aus der Isolation befreien.

Die Bahn ermöglichte der Tessiner Bevölkerung neue und interessante Arbeitsmöglichkeiten und fungierte somit als Antriebsmotor für zahlreiche Investitionen im touristischen sowie im Industrie- und Handelssektor.

Zum Zeitpunkt der Eröffnung des ersten Gotthardbahntunnels zählte man im Kanton Tessin zirka 130‘000 Einwohner während der Kanton Uri damals nur 24’000 Einwohner hatte.

Auch aus diesem Grund handelt dieses Buch überwiegend von den Auswirkungen auf die südalpine Region, obschon auch die Konsequenzen für die nordalpine Seite nicht vernachlässigt werden dürfen.

 

Der erste Tunnel zeigt klar, dass unser Land gegenüber den benachbarten Ländern offen ist. Europa wird dank den vollständig durch den Bund finanzierten Gotthard- und Ceneri-Basistunneln eine Nord-Süd-Hauptverkehrsachse auf Schweizer Boden und mit durchgehender Flachbahn geboten. Der Tunnel durch den Gotthard mit seinen 57 Kilometern Länge ist nicht nur der längste Eisenbahntunnel der Welt, sondern auch ein Meisterwerk der Planung und Ingenieurskunst. Deutlich sichtbar wird auch, wie langfristig die Schweizer Bürger dachten, als sie in zwei Volksabstimmungen (1992 und 1998) das Konzept guthiessen sowie die nötigen Milliardenkredite bereitstellten. Dies zeigt ausserdem, wie eine kleine Nation mit einer gut funktionierenden direkten Demokratie in der Lage ist, komplexe Entscheide zu fällen und finanziell anspruchsvolle Projekte durchzuführen.

 

Adriano Cavadini

Dr. oec., alt Nationalrat